
Ein Streifzug durch den Gesundheitsmarkt
1970
Bis zum Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 01.01.1993, das verabschiedet wurde, um die „Effizienz der Finanzen“ zu verbessern, war das Geschehen rund um die Ärzte, was deren Niederlassungsabsichten anbetraf, relativ freizügig. Es gab keine Bedarfsplanung, keine Niederlassungssperre, keine durch die Gesundheitsminister hektisch verabschiedeten dilettantischen, die Ärzteschaft verunsichernden, Gesetze.
Der Markt war, bezogen auf das, was dann kam, relativ ruhig. Die Praxen wurden als Einzelpraxen, Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften ausschließlich in der Rechtsform eines Einzelunternehmens, bzw. einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), geführt. Werbung jedweder Art (der ärztliche Kreisverband hat sogar die Ärztetafeln auf deren Gesetzmäßigkeit vermessen) galt als „unärztlich“ und „unethisch“ (heute ist Marketing für 80 % der niedergelassenen Ärzte sehr wichtig).
Visionäre Konstellationen (z. B. das Ärztekollegium am Albrecht-Dürer-Platz in Nürnberg) wurden unterbunden.
Der Generationswechsel funktionierte gut, entweder in Form von Neugründungen, oder von Übernahmen zu „vernünftigen“ Preisen (festgestellt nach der Ertragswertmethode), die beide Parteien gut leben ließ.
Work-Life-Balance und Feminisierung waren noch nicht „en vogue“, bzw. Frauen waren noch in der Minderheit. Die Subspezialisierungen nahmen zu und waren einer der Gründe für die Bildung von GPs (später BAGs bzw. MVZs). Grundsätzlich ging es der niedergelassenen Ärzteschaft gut, unter anderem weil die Freiberuflichkeit unterstützt und gelebt werden konnte.
1990
Die Wiedervereinigung 1990 bot den Ärzten in den NBL eine historische Chance sich niederzulassen. Die „Niederlassungswelle“ rollte und führte – weit überwiegend – zu erfolgreichen Existenzen.
1993
1993 kam das GSG (eine unüberschaubare Flut an Gesetzen sollte in den nächsten zweieinhalb Jahrzehnten folgen, siehe später). Die „Niederlassungssperre“ war beschlossen mit anfänglich unsäglichen, voll an der Realität vorbeigehenden Existenz gefährdenden- und vernichtenden Konsequenzen.
Der Dilettantismus und das mangelnde Verständnis für die Probleme des niedergelassenen Arztes fanden unter BGM Seehofer ihren Anfang und endeten bei der teils aus Neid getriebenen, stets überfordernden Gesetzesflut, die BGM Lauterbach auslöst. Die Konsequenz der durch das GSG beschlossenen Niederlassungssperre war, dass sich in gesperrten Gebieten nach einer gesetzten Frist niemand mehr niederlassen konnte und Praxen unverkäuflich wurden. Panik-Abgaben (zu Schleuderpreisen) und Kamikaze-Niederlassungen (ohne ordentliche Marktanalyse und Businessplan) waren die Folge. „Ärzte – Warum quälen wir sie?!“ hätte damals schon ein Buchtitel lauten können.
1997
Nach dem Deutschen Ärztetag, vom 27. bis 31.05.1997 in Eisenach, kam Seehofer die Erleuchtung (lag es am Ort Eisenach?) und er nahm die Schärfe aus dem Gesetz. Doch viele der oben angeführten Entscheidungen waren mit all ihren negativen Konsequenzen bereits getroffen worden.
2004
Mit dem GKV-VSG Modernisierungsgesetz wurde 2004 die Möglichkeit der Gründung von MVZs ermöglicht.
2006
- 2006 fordern Seehofer und Ahrens (AOK Vorstand) unter dem Motto: „Für Transparenz und Wettbewerb“, dass die Krankenhäuser ungeachtet der durch das GSG geregelten Bedarfsplanung an der ambulanten Versorgung teilhaben dürfen (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, VÄG).
- Heute unvorstellbar, was damals war:
Nur bis zum 55. Lebensjahr war die Übernahme eines Kassenarztsitzes möglich. Ab dem 68. Lebensjahr konnte nur da weiter gearbeitet werden, wo es sich um ein unterversorgtes Gebiet handelte, und auch nur so lange, bis das unterversorgte Gebiete versorgt war. Konnte damals die demografische Entwicklung der Ärzte nicht erkennbar sein? NEIN: Schikane … aber im Notfall darf der über 68-jährige noch arbeiten! - Das Wettbewerbsstärkungsgesetz von BGM Frau Schmidt. Hier war die Einführung einer Einheitskrankenkasse, die den Preis für die Leistungserbringung der Ärzte diktiert, vorgesehen. Auch die privaten Krankenhäuser wollte sie in einem eigenen Gesetz in das Kartell der Staatsmedizin drängen. Sie wollte Staatsmedizin pur. Auch die Angleichung der PKV an die GKV gehörte schon damals zu der Forderung der BGM Schmidt, die ja ein Vorbild zu Lauterbachs beabsichtigter Bürgerversicherung war (2,1 Milliarden Honorare wären damit verschwunden!).
- Einführung des praxisinternen Qualitätsmanagements.
2007
Vertragsarztänderungsgesetz (VÄndG), Gründung von Nebenbetriebsstätten erlaubt.
Jahre 1993 – 2008
2011
- Man glaubt es kaum: Das vom GKV Spitzenverband beauftragte Prognos-Gutachten zum Thema: „Der Aufkauf von Arztpraxen als Instrument zum Abbau der regionalen Ungleichverteilung in der vertragsärztlichen Versorgung“. Eine „gesundheitspolitische Geisterfahrt“, Einschätzung des KVB Vorstandes. (Hinweis: Zusammenfassung dieses unsäglichen Gutachtens, siehe Infobrief Sonderausgabe 07/2011)
- Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) nimmt Gestalt an.
(Hinweis: Ausgabe 2 Infobrief 2011 und Ausgabe 3, Infobrief 2011)
2012
Wieder einmal Angriff auf das erfolgreiche, für die ärztliche ambulante Versorgung unbedingt notwendige duale System (GKV/PKV). Wirtschaftlich, versorgungstechnisch notwendig und durch Vertrauensschutz gesetzlich abgesichert.
2013
- Neue Bedarfsplanung mit teilweise gravierenden Veränderungen, die bestimmte Fachgruppen sehr verunsicherte – und aus kompetenter Sicht betrachtet – wie von Geisterhand geführt wurde.
- GOÄ man glaubt es kaum! Die BÄK und die PKV haben sich über wichtige Eckpunkte einer „neuen GOÄ“ geeinigt!!! 12 Jahre später!! Bisher keine Einigung. Respekt vor der Geduld der betroffenen niedergelassenen Ärzte!!
2014
- Koalitionsvertrag – Abbau unnötiger Bürokratie!! (kaum glaubhaft, denn bis heute ist nichts geschehen).
- Druck auf das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (s. o.) durch die Einführung einer SOLL- statt KANN-Regelung beim Praxisaufkauf. Es war ein „Rohrkrepierer“!
- Einrichtung einer Terminservicestelle kein durchgreifender Erfolg, auch nicht durch spätere Sondervergütungen, die als bald, nachdem diese Erfolg zeigten, abgeschafft wurden. Sie als niedergelassener Arzt sind wieder einmal sehr geduldig!
- Möglichkeit der Zweitmeinungseinholung
- Ausweitung des bereits überfälligen und antiquierten Werberechts (s. o.)
- Das Internet begann seinen Siegeszug und professionelles, modernes Praxismarketing-Management war gefordert. Die Bewertungsportale schaffen Unruhe (wie wehre ich mich gegen negative, subjektive, emotionale Eintragungen?).
- Vermehrter Einfluss der Krankenhäuser auf die ambulante Versorgung.
- Die beginnende Work-Life-Balance, im Kontext mit der sehr stark steigenden Feminisierung (heute beides markant vorhanden), verknappt die medizinische Leistungserbringung, erhöht aber eklatant die Attraktivität des Arztberufes.
- Joachim Zieher stellt die zwölf wichtigsten Anforderungen an die neue GOÄ im Bayerischen Fachärztetag vor. Das war vor 11 Jahren!!!
- GKV-VSG „Zwangsaufkaufsregelung“ (m. E. unter anderem wieder ein Angriff auf die Freiberuflichkeit der ärztlichen Berufsausübung). BGM Gröhe war wild entschlossen den Referentenentwurf durchzubringen. Niedrige Phantasiekaufpreiszahlungen wären einer Teilenteignung gleichgekommen (das GSG aus 1996/97 lässt grüßen). War es immer nur Dilettantismus (oder Absicht)?
2015
Bei konsequenter Auslegung des GKV-VSG hätte dies das AUS von 25.000 Arzt- und psychotherapeutischen Praxen bedeutet.
Optimale Aufwertung von MVZs: MVZs wurden Gemeinschaftspraxen/Praxisgemeinschaften gegenüber bei der Nachbesetzung bevorzugt!!! (Warum hat sich nie geklärt.) Der „Aufkaufpreis“ wäre sehr niedrig gewesen (s. o.) und die Bewertung nicht analog des Vorschlages des BSG (Ärztekammermethode statt modifizierte Ertragswertmethode).
2016
- Antikorruptionsgesetz für Ärzte wurde am 14.04.2016 verabschiedet (warum nur für Ärzte? Diskriminierung ließ und lässt immer noch grüßen).
- Die neue GOÄ wurde wieder einmal vertagt und ist Stand 03/2025 (10 Jahre später!) immer noch in der Planung!!!
2017
- Die GOÄ brodelt ergebnislos weiter. Alle Voraussetzungen waren erfüllt!!
- Das AufkaufsSOLL (meines Erachtens ein MUSS), gemäß GKV-VSG ist nicht praktiziert. Unglaublich viel Lärm um nichts!
- Der Geist der Bürgerversicherung spukt weiter! Lauterbach, als BGM, hat dieses Thema – weil einfach nicht machbar – nicht verfolgt, obwohl er dies in seinen Büchern kategorisch fordert.
2018
- Neukonstruktion der Bedarfsplanung, unter anderem Mitspracherecht der Länder und Kommunen!
- Die institutionellen Investoren (PWE) nehmen Fahrt auf und bekommen Gegenwind, unter anderem durch ein Gutachten des Sozialversicherungsrates und später durch weitere Einschränkungen.
- Endlich – das BSG stärkt Ärzte in BAGs und GPs und besagt: „ (…) eine BAG darf nicht anders behandelt werden, wie ein MVZ (…)“ (!).
Schon vor 2018 war allen Informierten und an der ärztlichen Versorgung interessierten amtlichen Stellen bereits der zunehmende Ärztemangel bekannt und auch die Probleme im ländlichen Raum! Wieder einmal Dilettantismus pur (oder Vorsatz?).
2019
- Starke Verunsicherung beim Thema der „Wahlarztbehandlung“ durch BGH Urteil. BGM Spahn ist omnipräsent und überzieht das Parlament mit Gesetzesentwürfen (wie später auch Lauterbach). Er reaktiviert nach vier Jahren völlig überflüssig das GKV-VSG, mischt sich in die Bedarfsplanung ein und greift somit die Freiberuflichkeit der Ärzte an.
- Die Zusammenlegung der Facharztgruppen Orthopädie und Chirurgie war jedoch grundsätzlich für bestimmte Konstellationen vorteilhaft.
- Eine GOÄ Neu wird für die Jahre 2020, 2021 als sehr realistisch (!!) angesehen. Es bleibt hier weiterhin sehr spannend, wie wir (Stand März 2025) bereits wissen.
- Die KVen sollen neue Bedarfspläne erstellen, unter Berücksichtigung des demografischen Wandels und weiterer Einflussfaktoren. Es bleibt damit weiterhin ein schwarzes Loch und findet 2020 in der „Quotierung von internistischen Schwerpunkten“ einen „Verunsicherungs“-Meister.
2020 bis 2021
Corona bedingt eine Ausnahmesituation. Die Konsequenzen sind noch allgegenwärtig.
Reinhardt warnte am Deutschen Ärztetag vor den Folgen der Kommerzialisierung im deutschen Gesundheitswesen und griff dabei zu einer zugespitzten Wortwahl, indem er die Kosteneffizienz und das Renditestreben als „die ärztliche Sorgfaltspflicht überlagernde Priorisierung und Fokussierung des ärztlichen Alltags“ bezeichnet. Ich wiederhole mantraartig: „Der Arzt ist Arzt und Unternehmer“. Dagegen hilft auch nicht das gerade in der Corona Zeit so häufig angewandte Loblied auf die Ärzteschaft. Freiberuflichkeit, wie sie Reinhardt immer fordert, braucht auch ökonomische Sicherheit.
2021
- Es wurde mehr Klarheit zu den MVZs geschaffen und ein noch bestehender Vorteil des MVZ zur BAG, die Konzeptbewerbung wurde (Gott sei Dank!) abgeschafft. Ein vom BGM in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zum Ergebnis, dass Gefahren für die ärztliche Versorgungsqualität durch nicht ärztliche MVZ (iMVZ) weder bestätigt noch entkräftet sind.
- Der Mauracher Entwurf kommt (heute bereits wieder in Vergessenheit geraten). Dieser gibt die Möglichkeit über eine eGbR eine GmbH zu gründen, was in der Zwischenzeit häufig geschieht. Unter anderem ist diese Rechtsform aus steuerlichen Gründen auch dann interessant, wenn an einen Verkauf gedacht wird.
2022
- Kein Satz zur neuen GOÄ! Lauterbach dröhnt: „Die GOÄ hat Zeit“. Womit er nicht nur darin Recht hatte, sondern auch in anderen im Koalitionsvertrag abgebildeten Gebieten, wie Bürokratie-Abbau-Paket (25 % werden durch Bürokratie an Arbeitsaufwand eingesetzt), Verantwortung zur Versorgungssicherheit in unterversorgten Gebieten durch die Regierung und letztendlich die Aufhebung der Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich. Dies war 2021 im Koalitionsvertrag. 2025 wurde darüber entschieden. Vier Jahre vorenthaltene Vergütung. Wo gibt es das?
- Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist im Entwurf vorhanden. Es wird darin u.a. von einer Ersparnis für die GKV durch die Streichung der extrabudgetären Leistungen für Neupatienten in Höhe von einem „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“ gesprochen. Dies ist schnell eingetreten. Warum? Weil es den unwirtschaftlich geführten GKVen wieder Geld einbringt und dem niedergelassenen Arzt zusätzliches Einkommen entzieht.
- Keine Rede mehr von der neuen GOÄ!
2023
- Eigentlich gibt es vom 127. Ärztetag nichts Neues. Die Freiberuflichkeit wird neben der Kommerzialisierung, Digitalisierung und Bürokratisierung verbal in den Vordergrund gestellt.
- Die GOÄ wird wieder einmal (zum wievielten Male!!) angemahnt.
- Die Geduld der Ärzte mit Lauterbach, dessen Parole: „Es wird die Bürgerversicherung geben“ immer noch steht, ist zu Ende (heutiger Stand). Bald wird es ihn hoffentlich nicht mehr geben.
2024 / 2025
- Mal schauen, wie der neue Koalitionsvertrag aussehen wird.
- Stand Februar 2025: noch immer keine neue GOÄ (über 35 Jahre – eine Ärztegeneration!!)
Kompliment an das Stehvermögen und die Geduld!
Zitat:
„Der humane Fortschritt der Medizin braucht mehr Menschlichkeit im Umgang mit der Ärzteschaft und der Medizin. Wenn wir das System, das uns heilen soll, verachten und quälen, wird es kein heilendes System mehr sein, weil der innere Geist krank wird. Wenn wir aber beginnen, das System der Heilung
wieder zu lieben und zu achten, wird es seine eigene Heilung und Qualifizierung besser organisieren können.“
Quelle: Ärzte – warum quälen wir sie? 6.2.1999, Herausgeber: Friedrich Christoffer.
Lukas Meindl, Joachim Zieher, Dr. rer. pol. Rudolph Meindl
Zukunft braucht Herkunft
In ununterbrochener Folge ist seit 1683 ein Schuhmacher Meindl in Kirchanschöring (Meindl-Firmensitz und Geburtsort von Dr. Rudolph Meindl) beurkundet.
Lukas Meindl Senior gründete 1928 das Familienunternehmen Meindl.
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Einsendeschluss: 15.04.2025
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