Im Interview mit Jürgen Pracht:

Allgemeines:

Das Gutachten des Sachverständigenrates „bedarfsgerechte Steuerung des Gesundheitswesens“ wird einiges in Bewegung bringen, u.a. was die Weiterentwicklung der Grundlagen der Bedarfsplanung anbetrifft.

Dies ist unbedingt rechtzeitig in die Abgabeplanung mit einzubeziehen (Änderung der Verhältniszahlen, z.B. von gesperrten Gebieten 110%,  bzw. über 140% zum entsperrten Gebiet?). Im Gesetzentwurf für schnellere Termine und bessere Versorgung (TSVG) ist dies bereits vorgesehen, siehe Punkt 2. Chancen.

Weiter ist im Entwurf des TSVG die Handhabung und Einbringung von Sitzen in ein MVZ, um die Nachbesetzung (3 Jahre, abgestaffelt) problemfrei zu gewährleisten, zu lesen, dass die „bisher bestehende generelleMöglichkeit zur Nachbesetzung einer angestellten Arztstelle in einem MVZ auf ein sachgerechtes Maß beschränkt werden soll (…)“. Gemeint ist damit, dass künftig der Zulassungsausschuss auch bei der Nachbesetzung einer genehmigten Anstellung prüft, ob ein Bedarf auf die Nachbesetzung besteht.

Anmerkung: Der Automatismus „Arztsitze über Anstellungsverträge in MVZ‘s zu sichern“, wird damit ein für alle Mal unterbrochen.

1. Vorabplanung:

A) EINZELPRAXIS

Je nach Fachrichtung und Region ist es außerordentlich wichtig, den Markt rechtzeitig zu sondieren und nach prospektiven Interessenten zu suchen und sie zu kontaktieren.

    • Ist ein Krankenhaus in der Nähe, das sich mit der Gründung eines MVZ‘s beschäftigt?
    • Bin ich ein „Indikationslieferant“ für weitergehende, nicht in meiner Praxis vorhandene Diagnosen bzw. Therapien?
    • Ist ein „Netzwerk“ an meiner Praxis interessiert?
    • Bin ich eventuell ein begehrter „Mosaikstein“ in einem Großkonstrukt von institutionellen Investoren? (Noch sind diese Modelle am Markt. Das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrats geht gezielt gegen solche Konstrukte vor!)
    • Bin ich in einem gesperrten Gebiet über 140 %? (Aufkaufssoll im GKV-VSG zum „Verkehrswert“, was immer das heißen mag. Es gibt bis heute keinerlei Rechtssicherheit!)
    • Dann ist folgendes zu prüfen:
    • Es muss frühzeitig geprüft werden, ob das Aufkaufssoll gemäß GKV-VSG, relevant ist (momentan sind die Aufkäufe zum sogenannten „Verkehrswert“ noch sehr selten, aber das Gesetz lässt dies zu (…), ja fordert es!) und der Ihnen grundsätzlich zustehende Schadenersatz ist nebulös und nicht griffig.
    • Um den Verkauf absolut sicher zu stellen, muss ich mich als Angestellter in ein MVZ mit 3-jähriger (abgestaffelter) Wartezeit einbringen?
    • Oder integriere ich mich in eine BAG, bzw. gründe ich eine mit einer weiteren Einzelpraxis mit einem jüngeren Partner? (Nach neuester Interpretation des Erhaltens des Sitzes bei Eingliederung in ein MVZ reicht es, sich in einer BAG zu befinden – im Falle des Verkaufs eines Praxisanteils in einer BAG sind die „Interessen des verbleibenden Partners bei einem [nach GKV-VSG möglichen Aufkauf des Sitzes zu berücksichtigen“.
      Diese Bestimmung ist aktuell und neu.
    • Möglicherweise agieren Sie mit einem Job-Sharing-Partner (sofern die – gelockerten – Voraussetzungen erfüllt sind), denn dieser wird zu Ihrem privilegierten Partner. Zu all diesen Überlegungen brauchen Sie mehr als 3 Jahre Zeit!

B) PRAXISANTEIL (an einer BAG bzw. MVZ)

    • Rechtzeitige Diskussion mit den verbleibenden Partnern.
    • Überprüfung des BAG-Vertrages, wie der Ausstieg geregelt ist. Unter anderem: Wer ist zum Aufkauf verpflichtet? Die verbleibenden Partner oder der Ausscheidende müssen sich einen Nachfolger suchen?
    • Unter welchen Voraussetzungen können die verbleibenden Partner den „Wunschkandidaten“ ablehnen?
    • Wie wird der Wert des Praxisanteils festgestellt? Ärztekammer-Methode, bzw. modifizierte Ertragswert-Methode, bzw. X-faches vom EBIT (Bereinigter Ertrag vor Zinsen/ Steuern multipliziert mit Faktor X (i.d.R. teilweise wesentlich höherer Wert)).
    • Stand der Kapitalkonten (vom Steuerberater zu erfragen, da dies mangels einer Bilanzierung nirgends offiziell erscheint).
    • Bei über 140% Versorgungsgrad Berücksichtigung der GKV- VSG-Bestimmungen (siehe oben).

2. Chancen:

    • Die Chancen für die frühzeitige Planung liegen:
    • im intensiven Sondieren des Marktes,
    • in der Positionierung des „Wunschkandidaten“,
    • in der Optimierung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses, was letztendlich – egal, welche Praxiswert-Methode angesetzt wird – den Hauptfaktor auf den Wert darstellt,
    • in der frühzeitigen Reaktion auf sich verändernde Rahmenbedingungen, verursacht durch das Sachverständigengutachten und dem Entwurf des TSVG, welches bald kommen wird. Der Entwurf ist bereits als Referentenentwurf des BGM erstellt.
      Anm.: Insbesonders werden aufkaufswillige und höhere Preise zahlende institutionelle Anleger weitgehendst ausgebremst: Der Sachverständigenrat interpretiert den Vertragsamtssitz als nicht mehr verhandelbares Objekt, denn letztendlich – so der Sachverständigenrat – gehört dieser nicht dem Arzt und damit entgeht die KV beim „Einzug“ dem Verfassungsbruch gemäß Artikel 14GG (Recht auf Eigentum.
      Zusatzanmerkung zum Thema: Hatten wir schon einmal 1996 beim Gesundheitsstrukturgesetz (GSG); damals bestand noch nicht die Interpretation bezüglich des Eigentumsrechts auf den Sitz, wie jetzt durch den Sachverständigenrat und deshalb konnte sich das GSG in dieser Beziehung nicht durchsetzen). Auch im Entwurf des TSVG werden die institutionellen Anleger insofern beschnitten, als die Gründungsmöglichkeit für Erbringer nicht ärztlicher Dialyseleistungen nach §126, Absatz 3, SGB, V, auf fachbezogene MVZ beschränkt werden.
  • in der Übung für Verhandlungen, wenn der erste, oder weitere Interessenten, nicht passen (aber siehe Risiken!),
  • bei rechtzeitiger Einigung in den Gestaltungsmöglichkeiten für die „Restzeit“ als abgabewilliger Arzt,
  • in der Absicherung bei langer Krankheit, Berufsunfähigkeit, bzw. Tod, in der Zeit bis zur Übergabe, wenn bereits vertraglich alles geregelt ist und Sicherheiten durch den Übernehmer gestellt sind (z. B. Bankbürgschaft).

3. Risiken:

  • Die Risiken, die in der frühzeitigen Planung liegen:
  • in der zu frühen Publikation Ihres Abgabewillens (der meistens viel früher ins „Volk“ kommt und dadurch Verunsicherungen beim Patienten bereitet),
  • in der Beunruhigung des Personals,
  • in nicht gesperrten Gebieten (unter 110%) in der Neugründung einer Praxis,
  • in der Verbreitung der betriebswirtschaftlichen Daten.Klarer Ratschlag von mir:
    Erst die Zahlen (Gutachten) weiter geben, wenn ziemlich sicher ist, dass der Interessent auch kauft.Ich empfehle, im Vorfeld Einsicht nehmen zu lassen, ohne Mitnahme der Daten, bzw. sich eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben zu lassen. 
  • Wenn Sie sich nicht als Abgabewilliger zu lange am „Markt“ befinden (bei 5-jähriger Vorbereitungszeit: ja, möglich).
  • Im Interessen- und/oder Preisverfall

4. Empfehlungen: (insbesondere wegen empfohlener 5 Jahre)

A) EINZELPRAXIS

  • sich von einem Profi beraten zu lassen – bei absoluter stringenter Geheimhaltung Ihres Vorhabens.
  • Anfertigung eines Gutachtens von einem Sachverständigen für die Bewertung von Arztpraxen und nicht vom Steuerberater (nicht, weil er dies nicht kann, sondern weil ihm die Individualkenntnisse fehlen), aber im Kontext mit ihm.
  • Festlegung der beim Kaufpreis X anfallenden Steuer durch den Steuerberater und Absprache möglicher Optimierungen.
  • Sicherstellung des, wenn vertraglich bereits vereinbarten, Kaufpreises, der in der Zukunft liegt; am besten durch eine Bankbürgschaft. Für den Fall, dass zwischen dem Vertragsabschluss und dem Übernahmezeitpunkt noch einige Zeit vergeht, ist eine – ich sage sogar mal – mündelsichere Absicherung der Kaufpreiszahlung empfehlenswert. (Am besten – wie oben erwähnt – Bankbürgschaft, oftmals wird diese nicht gegeben).
  • Eventuelle Weiterbeschäftigung für X Jahre als Angestellter (da steuerlich notwendig), wenn Sie das noch wollen, und dies auch der Übernehmer will. Befindet sich die Praxis in einer eigenen (nicht Ehefrau) Immobilie? (Es fällt auf jeden Fall Steuer an, auch wenn die Immobilie nicht verkauft wird. Allein die Praxisaufgabe zählt.)

B) PRAXISANTEIL

  • Frühzeitige Diskussion mit den verbleibenden Partnern über deren Vorstellungen zum „eintretenden Neupartner“.
  • Feststellung der Kapitalkonten. Insbesondere durch den Steuerberater zu regeln (meistens der Fall beim negativen Kapitalkonto und deren steuerliche Auswirkungen beim Verkauf).
  • Feststellung stiller Reserven und deren steuerliche Auswirkung sowie eventueller Verbindlichkeiten bzw. Forderungen gegen die BAG bzw. MVZ, als auch deren thematische Berücksichtigung.

    Also: Auf keinen Fall „Vogel-Strauß-Politik“ betreiben!

Dr.rer.pol. Rudolph Meindl
Diplomkaufmann

Über 50 Jahre im Dienste des Arztes
Öffentlich bestellter (bis zum 70. Lebensjahr) und vereidigter
Sachverständiger für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen

Kostenanstieg auch in der Privatabrechnung

In den vielen Gesprächen mit unseren Mandanten erhalte ich oft die Rückmeldung, dass die Behandlung von Privatpatienten zunehmend wirtschaftlich unattraktiv wird. Während die Kosten – vor allem in den Ballungsräumen – von Jahr zu Jahr kontinuierlich steigen, verharrt das GOÄ-Honorar seit 1996 auf dem gleichen Niveau. Um bei Privatpatienten die gleichen Einkünfte wie im Jahr 1996 erzielen zu können, müssten eine Ärztin/ein Arzt heute also etwa 30% mehr Leistungen erbringen.

Ob hier noch von einer „angemessenen“ Vergütung gesprochen werden kann?

Viele moderne, oft aufwendigere und kostenintensivere Behandlungsverfahren lassen sich in der „veralteten“ GOÄ trotz der Möglichkeit der Analogie nur noch schwer korrekt abbilden, auch hinsichtlich ihrer Bewertung. Und die Kostenträger haben naturgemäß ihre eigene Sichtweise darauf, was „angemessen“ bedeutet.

Die GOÄ enthält mit dem §2 ein Regulativ, mit dem z.B. für besonders aufwändige Behandlungsverfahren durch individuelle Vereinbarung ein höheres Honorar erzielt werden kann, als ursprünglich vorgesehen. Mit der sogenannten Honorarvereinbarung (Abdingung) vereinbaren Arzt und Patient für explizit zu nennende GOÄ-Positionen einen von der GOÄ abweichenden Faktor, z.B. Faktor 5,000 (was ein über 40% höheres Honorar für die Leistung im Vergleich zum GOÄ-Höchstsatz bedeuten würde). Dies ist für eine oder auch mehrere GOÄ-Leistungen möglich.

Der Arzt muss den Patienten allerdings wirtschaftlich aufklären, da nicht alle PKV-Tarife hierfür eine vollständige Erstattung vorsehen. Die Beihilfe wird per se nur bis zum Höchstsatz der GOÄ (bei ärztlichen Leistungen Faktor 3,500) erstattet. Bei dieser wirtschaftlichen Aufklärung wird dem Patienten meist schnell klar, dass es sich in der Regel nur um einen relativ geringen Selbstbehalt von wenigen hundert Euro handelt, im Vergleich zu der jeden Monat fälligen Prämie, die er an seine private Krankenversicherung bezahlen muss.

Honorarvereinbarungen sind in vielen Situationen denkbar: z.B. bei ambulant durchgeführten Eingriffen, die sonst meist stationär durchgeführt werden. Oder bei umfangreichen Beratungs-/Aufklärungsleistungen, wie der Reisemedizin oder Ernährungsberatung, für die in der aktuellen GOÄ nun wirklich kein auskömmliches Honorar vorgesehen ist.

Sie möchten gerne mehr über die Möglichkeit der Honorarvereinbarung wissen?
In unserem Online-Portal unter „Allgemeines“ finden Sie ab sofort eine Muster-Honorarvereinbarung nebst „Checkliste“. Natürlich beantworten unsere Mitarbeiter gerne auch Ihre individuellen Fragen zur Honorarvereinbarung.

Wir freuen uns natürlich auch über Ihr Feedback!

Joachim Zieher

Geschäftsführender Gesellschafter
Dr. Meindl u. Partner Verrechnungsstelle GmbH
Abrechnungsexperte
Seit über 20 Jahren im Dienste des Arztes

Auch dieses Jahr hat die Verrechnungsstelle wieder die weltweite Initiative DRUMSTRONG – drumming to beat cancer mit aktiver und passiver Teilnahme am offenen Benefiz-Drum Circle in Nürnberg unterstützt und zu einem erneuten Teilnehmer- wie Spendenrekord beigetragen.
Der Erlös ging an die Elterninitiative krebskranker Kinder e.V. Nürnberg.

Das BSG Urteil (vom 27.06.2018, B6 KA 46/47R) beschäftigt sich mit den jeweilig zuzuordnenden Fallzahlen des einzelnen Arztes in einer BAG und stellt fest, dass „nicht die Fallzahlen eines einzelnen Arztes in einer BAG bei der Nachbesetzung des Arztsitzes entscheidend“ sind.

Die Grundlage des Urteils liegt darin, dass sich die Ärzte einer BAG die Arbeit individuell aufteilen können. Scheidet ein Arzt aus, dann liegt die Nachbesetzung in der gesamte BAG und nicht in den Fallzahlen des einzelnen Arztes.

Positiv zu betrachten ist die Feststellung des BSG: „Ist der Vertragsarztsitz, für den ein Nachbesetzungsverfahren beantragt wird, einer BAG zugeordnet, ist die Möglichkeit der Praxisfortführung auf die BAG und nicht auf den einzelnen Arzt zu stellen“.

Das BSG stellt dazu weiterhin fest, dass die BAG nur EINE Abrechnungsnummer hat, und somit die Behandlungen auch durch mehrere Ärzte ein Behandlungsfall bleiben.

Welche Schlüsse ergeben sich aus der Beurteilung des BSG?

  1. Eine BAG darf nicht anders behandelt werden wie ein MVZ. Das meine ich nicht juristisch, sondern emotional und pragmatisch. Was auch heißen könnte, dass nunmehr BAGs, in denen der ein oder andere Teilhaber in naher Zukunft aufhören möchte, und sich diese BAG in einem über 140% überversorgten Gebiet befindet, es nicht mehr unbedingt anzuraten ist, zum Zwecke des Erhaltes des Praxissitzes, gemäß GKV VSG, diese BAG 3 Jahre vor beabsichtigter Aufgabe, eines oder mehrerer Partner, in ein MVZ umzuwandeln und sich anstellen zu lassen.
  2. Es empfiehlt sich allen BAGs, bei denen eine derartige Situation in 2 bis 5 Jahren ansteht, bevor eine organisatorische und finanziell aufwendige Umgestaltung in ein MVZ geplant wird, Rechtsberatung von einem kompetenten Fachanwalt für Medizinrecht zu dieser Thematik einzuholen.
  3. Was heißt dieses Urteil für eine Praxisgemeinschaft?
    Die Praxisgemeinschaft erfüllt eben im wesentlichen nicht die Voraussetzungen einer Gemeinschaftspraxis (BAG), insbesondere nicht die einheitliche Abrechnungsnummer und bei diesem Konstrukt greift meines Erachtens diese Entscheidung des BSG nicht.

Also empfehle ich auch hier, sich frühzeitig eine kompetente Rechtsberatung einzuholen.

Lukas Meindl

Master of Science
Geschäftsführender Gesellschafter
Dr. Meindl u. Partner Verrechnungsstelle GmbH